Historie

Die Anfänge reichen weit zurück

– ein kleiner Exkurs in die Geschichte

Die Ursprünge deutscher Schützengesellschaften reichen bis in das frühe Mittelalter – und wohl weit darüber hinaus zurück. Deshalb gilt es hier, einmal aufzuzeigen, wie sehr Schützengesellschaften und ihre Vorgänger das Leben und die bürgerliche Kultur über Jahrhunderte bestimmten und prägten. Denn nicht zuletzt machen Schützengesellschaften einen vielfach unbekannten Teil deutscher Geschichte aus. Und bleiben damit weiterhin Teil gelebter Gegenwartsgeschichte.

Grund genug, hier einmal ein Kapitel aus dem Buch “Der Ehrenspiegel Deutscher Schützen” von Hans Hermann zu erwähnen, das 1928 als Erstausgabe im “Vaterländischen Buchvertrieb Thantmar Rudolph” erschienen ist und dem Reichs-präsidenten von Hindenburg gewidmet war. Und der sich insbesondere der Stadt Mainz widmet. Nachfolgend dieser Artikel, der sprachlich “modernisiert” und inhaltlich gekürzt wurde.

Alte Zielscheibe von 1793.

Eine herrlich ausgearbeitete Zielscheibe anfangs des 19. Jahrhunderts.

Von Mauern und Gräben umgeben, boten deutsche Städte den Bewohnern Schutz und Schirm gegen Überfälle. Zu ihrem Schutz übernahmen die Bürger deshalb die Verpflichtung, die Mauern der Stadt zu bewachen und zu verteidigen. Drohte Gefahr, griffen sie zu den Waffen, sei es, dass sie die Mauern schützten, sei es, dass sie sich dem Feind im Feld entgegenstellten. Mit welchem Mut und Eifer die Bürger ihre Städte verteidigten, davon weiß die Geschichte vielfältige Beispiele zu nennen. Denn nicht etwa bloß gegen Überfälle gleich starker Feinde, sondern selbst gegen Angriffe mächtiger Fürsten bewährte sich die siegreiche Kraft der für das eigene Heim streitenden Städter. Selbst deutsche Kaiser rechneten mit der Wehrhaftigkeit der Bürger und so mancher Fürst fand in den Städten den erwünschten Beistand.

Das Entstehen der Schützengesellschaften
Diese Wehrhaftigkeit hatte sich in Waffenübungen bewährt, wie die Geschichtsschreiber des 14. Und 15. Jahrhunderts berichten. Ein Teil der Städter übte sich nämlich in der Handhabung von Lanzen, Spießen und Schwertern. Ein anderer Teil im Zielschießen mit Bogen und später mit Feuerwaffen. Bewiesen etwa die Ritter ihre Geschicklichkeit bei Turnieren, so veranstalteten die Bürger große Schießen, um zu zeigen, dass auch sie ihre Waffen bestens zu handhaben wussten. Entsprechend wurde es in Deutschland und den Niederlanden gebräuchlich, jährlich ein Vogelschießen, insbesondere das Schießen nach dem Papagei zu veranstalten. Und dieses Schießen entwickelten sich schon bald zu echten Volksfesten, an denen sich die ganze Stadt beteiligte.
Zur besseren Ausbildung der Bürger, die sich nach einigen Städteverordnungen eine bestimmte Zeit im Schießen üben mussten, entstanden überall Schützengesellschaften oder aber Bruderschaften (fraternitates sagittariorum), deren Mitglieder sich zum regelmäßigem Besuch des Schießstandes verpflichteten. Während anfangs diese Schießübungen ernst betrieben wurden – für den Fall, dass die Bürger zu ihrem Schutz die Waffen ergreifen mussten, artete die Sache nach und nach aus, bis dann doch einmal wieder die Not zwang, zum Ernst der früheren Zeiten zurückzukehren.

Am Anfang stand die Armbrust
Die ältesten Gesellschaften nannten sich nach der Waffe, welche seit dem 13. Jahrhundert allgemein in Gebrauch kam: “Armbrustschützen” oder später auch “Stahlschützen”, seitdem der Spannbogen der Armbrust statt wie ursprünglich aus Holz und Fischbein aus Stahl gefertigt wurde. Aus der Armbrust schoss man anfangs mit Bolzen, dann, seit dem 16. Jahrhundert, mit Kugeln. Längst waren schon die Feuerwaffen aufgekommen, als man in den einzelnen Gesellschaften noch fortfuhr, sich der Armbrust zu bedienen. Daher kommt es, dass in den meisten Städten neben den Armbrustschützen noch “Krautschützen”, also Schützen, die Kraut und Lot oder Pulver und Blei beim Schießen anwandten. Diese wurden später dann gemeinhin “Büchsenschützen” genannt.

Ein Heiliger als Schutzpatron
Im Ganzen waren die Einrichtungen der deutschen Schützengesellschaften fast überall dieselben. Insbesondere insofern, als überall die Neigung vorhanden war sich an weltlichen und geistlichen Festen zu beteiligen oder Festlichkeiten zu veranstalten. Die religiöse Seite äußerte sich in der Wahl eines Heiligen als Schutzpatron. Mit besonderer Vorliebe erwählten die Schützenbrüderschaften den heiligen Sebastianus zu ihrem Schirmherrn. Auch äußerten sich die Beziehungen zu der Kirche darin, dass in bestimmten Zeiträumen für die Mitglieder der Gesellschaften besondere Gottesdienste, also “Seelenmessen” für verstorbene Mitglieder abgehalten wurden.

Alter Schützenbrunnen im Mainzer Volkspark.

Der Schützenbrunnen im Mainzer Volkspark beweist welche Bedeutung Schützenvereine in vergangenen Zeiten hatten.

Schützenfeste als gesellschaftliche Ereignisse
Von seiten der Landesherren, wie von seiten der städtischen Verwaltungen wurden die festlichen Veranstaltungen der Schützengesellschaften gerne gesehen. Spenden von Preisen, Zuschüsse für den Besuch auswärtiger Schützenfeste werden vielfach erwähnt. So findet man beispielsweise in den Mainzer Stadt-rechnungen aus den Jahren 1438 – 1443 einen ständigen Ausgabeposten mit der Bezeichnung: „Als man die Schützen ußschickete“. Dank solcher Beihilfe hielt eine Stadt nach der andern Schützenfeste ab – unter Beteiligung der eingeladenen Schützen anderer Städte.
So gab es in Frankfurt im Jahr 1367 ein Schießen um die Meisterschaft. In Konstanz im Jahr 1458 ein großes „stahelschießen“. Ihrem Beispiel folgten auch 1463 Höchst, 1464 Hanau, 1471 Eltville, 1476 Heidelberg und 1483 Köln. Nach Lersners “Frankfurter Chronik” hielten die Mainzer im Jahre 1462 an dem “Tag der 11.000 Jungfrauen” ein großes Schießen ab, wobei drei Ochsen, Geld und “Kleinode” als Preisgelder   ausgelobt wurden.

Feste Regeln
Bekannter ist das große Schießen der Mainzer vom Jahre 1480, das nach einer noch erhaltenen, an Bürgermeister und Rat in Köln gerichteten Einladung der Schützenmeister und Schießgesellen der Mainzer Armbrustschützen am 28. August 1480 seinen Anfang nahm. Nach dieser Einladung waren 31 Schüsse vorgegeben. Der Brief enthielt die Bezeichnung der Länge der Bahn und des Umfangs der Scheibe (16,5 cm im Durchmesser), letztere mit dem Zusatze, dass der Schuss, welcher den Zirkel berühre, “für einen nahen gehalten werde”. Jeder Schütze hatte einen Gulden (24 Weißpfennige) zu entrichten, wozu Kurfürst Dieter von Isenburg bei Beginn des Schießens 24 Gulden beizusteuern versprach.

Kurfürst als Förderer des Schießens
Den Gewinnenden war es freigestellt, sich statt der Kleinode den zuvor angesetzten Wert in Geld aushändigen zu lassen. Dieses “allerwärts angesagte” Schützenfest bildete das Gegenstück zu dem im selben Jahre in Mainz abgehaltenen Turnier der “Grafen und edlen Herren”. Um den Bürgern eine besondere Freude zu bereiten, hatte sich Kurfürst Dieter von Isenburg der Förderung des Schießens ganz besonders angenommen. Denn im Kampf mit seinem Nebenbuhler wollte er sich die Unterstützung der Mainzer sichern, um vergessen zu lassen, dass er sich der Vernichtung der städtischen Freiheit schuldig gemacht hatte.

Freischießen und Kurzweil

Schützenfeier in Düsseldorf.

Uniformen, Ränge und Orden prägten früher die Schützenvereine. Diese Tradition wird bei manchen Vereinen heute noch hochgehalten.

Nicht ganz so großartig wurde später das Schützenfest am 26. August 1573 in Mainz-Weisenau veranstaltet wurde, aber immerhin Einzug in die Chronik hielt. Ein besonderer Anlass zu Veranstaltungen von Freischießen in engerem Kreise war für Mainz gegeben, so oft der Rhein zufror. So anfangs 1595. Damals hielt man neben anderen Festlichkeiten an zwei Sonntagen – am 8. Und 22. Januar – Freischießen ab. Noch weitere Jahrhunderte war es übrigens Brauch, auf dem zugefrorenen Rhein Freischießen zu veranstalten, so wie dies auch 1740 der Fall war.

Wettschießen in Frankfurt
An Vergnügungen fehlte es den Mainzer Schützen zu keiner Zeit, weil auch in der Nähe, insbesondere in Frankfurt, zahlreiche Wettschießen abgehalten wurden, an welchen die Mainzer gerne teilnahmen. Unter den vielen Frankfurter Festen wird vor allem das Schießen im Jahr 1705 erwähnt, ein Fest von acht Tagen Dauer, von dem ein Mainzer Schütze den zweiten Preis, einen Ochsen, nach Hause brachte. Dass man nicht bloß schoss, sondern auch allerhand “Kurzweil” trieb, wird besonders hervorgehoben: „Es waren“, so sagt die Frankfurter Chronik, „solche angenehme Sommertage, dass auch jeder, der nur fortkommen konnte, sich solche zunutze machte, dannenhero der Garkoch Donnerstags als den 1. Oktober auf Tausend Stück Bratwürste vertriebe, welche dem Zapper auch zu thun machten, dann Sie zwei Stück Wein in diesem Tage verzapfften“.

Als das Schießen für Bürger zur Pflicht wurde

Bundesschießen-Plakat

Die Bundesschießen waren für die Bevölkerung bedeutende gesellschaftliche Ereignisse.

Reichlichere Nachrichten über das Tun und Treiben der Mainzer Schützen sind erst von der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab vorhanden. Sie beginnen mit dem 30. Juli 1732, an dem Kurfürst Philipp Karl von Elz die Statuten der schon längst bestehenden Schützengenossenschaft bestätigte. An Hand dieser Statuten erfährt man zunächst, dass, wie anderwärts, so auch in Mainz, die neu aufgenommenen Bürger verpflichtet waren, bis zu ihrer völligen Ausbildung auf dem Schießplatze zu erscheinen. An der Spitze der Gesellschaft stand das Haupt der städtischen Verwaltung, der Vicedom, der die Handhabung der Schützenordnung überwachte und Strafen eintreiben ließ, auf die wegen Missachtung der Vorschriften für das Verhalten auf dem Schießplatze oder den Verkehr der Mitglieder untereinander erkannt worden war. Unter dem Vicedom standen zur unmittelbaren Leitung der Gesellschaft der Schützenmeister und dessen beide Berater, die Siebener, sowie der Schützenschreiber. Später gab es statt des einen Schießmeisters zwei Schützenmeister, den älteren und den jüngeren, und statt eines Beirates von zwei Personen einen solchen von zehn Mitgliedern. Sämtliche Mitglieder trugen bei großen Festen eine Uniform: Grüne Röcke, goldbortierte Kamisole, schwarze Kniehosen, weißseidene Strümpfe, Hut und ein Band zum Tragen des Pulverhornes.

Schützen verteidigten ihre Stadt
Nachdem die Schützen lange Jahre bei weltlichen und geistlichen Festen in ihrer Uniform paradiert hatten, sollten sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts ernste Proben ihrer Kunst ablegen. Zur Zeit als der französische General Custine gegen die Festung Mainz anrückte, fehlte es an genügender Mannschaft zur Verteidigung der Festungswerke – weshalb der Kurmainzer General Freiherr von Gymnich die Beihilfe der Schützen in Anspruch nahm. Der Aufforderung des Generals entsprechend, erschienen in der Zeit vom 1. bis 18. Oktober 1792 abwechselnd einzelne Abteilungen der Schützen, um nicht etwa bloß die Posten in der Stadt zu übernehmen, sondern auch den Soldaten auf die St. Albansschanze zu folgen. Damals gab es auch in Mainz sogenannte “Bürgerliche Artilleristen”, die sich bei festlichen Gelegenheiten mit dem Schießen aus Kanonen befassten. Auch diese Mannschaft wurde zum Dienst herangezogen. So wacker jedoch die Bürger an der Verteidigung ihrer Vaterstadt mithalfen – die Übergabe der Festung konnten auch sie nicht verhindern.

Wie Phoenix aus der Asche
Dieser Beteiligung an der Verteidigung von Mainz folgte bald das Ende der mainzer Schützenherrlichkeit. Custine ließ im November 1792 den Bürgern alle Waffen abnehmen. Bei dieser Gelegenheit mussten auch die Schützen ihre Büchsen hergeben. Sie erschienen ohne ihre noch im Zeughaus verwahrten Waffen, als im September 1793 der Kurfürst von Mainz zurückkehrte und sich die Schützengesellschaft zu seiner Begrüßung einfand. Erst im Jahre 1794 erhielten die Schützen ihre Büchsen zurück, jedoch nur für kurze Zeit. Als Ende 1797 Mainz zum zweiten Male in die Hände der Franzosen fiel, hoben die neuen Machthaber die Schützengesellschaft auf und überließen den bisherigen Schießplatz an der Bastion Felicitas dem Geniekorps. Bei der Neuordnung der Dinge war eben kein Platz mehr für eine Gemeinschaft, die neben der vielfach erwähnten Kurzweil auch für sehr ernste, bürgernahe Belange zuständig war. Und der die Chronik auf’s Banner schrieb: “Bürgern und Freunden zum Schutz. Und den Feinden zum truz”.

Soweit aus der Berichterstattung des ” Ehrenspiegel Deutscher Schützen”.